22.05.2023
Abschied von Jürgen van Wieren

Es ist noch kein Jahr vergangen, seit der Umzugswagen Burg gen Ostfriesland verlassen hat. Am 18. Mai, am Himmelfahrtstag, ist Jürgen van Wieren gestorben. Das Lukasevangelium erzählt davon, wie Jesus in Bethanien seine Arme hob und seine Jünger segnete und dann vor ihren Augen aufstieg gen Himmel. Am 24. Mai wird Jürgen van Wieren auf dem Friedhof an der Kirche in Landschaftspolder, die er so geliebt hat, zu seiner letzten Ruhe gebettet. Wer vor einigen Jahren mit in Ostfriesland war, wird sich an diesen Ort erinnern, an unser Singen in der Kirche und die liebevolle Bewirtung, die Gespräche mit der Gemeinde und das beeindruckende Selbstverständnis, mit dem Jürgen dort zu Hause war, obwohl er schon Jahre nicht mehr dort lebte. Seit 2014 war Jürgen van Wieren Pfarrer der St. Petri-Gemeinde in Burg. Seine Predigten sammelten nicht nur die Gottesdienstgemeinde in St. Petri, für den gesamten reformierten Kirchenkreis waren sie eine stärkende und festigende Instanz in unsicheren Zeiten. Mit klugen und an den Quellen der Schrift, der Literatur, den großen Denkern des Abendlandes gewonnenen Worten prägte Jürgen die Debatten der Stadtökumene, des Konventes und des Moderamens, lange Zeit auch als stellvertretender Senior. Oft gab sein Impuls die Wende der Diskussion. Es ging ihm nicht um Tradition. Es ging ihm nicht darum, zu beeindrucken. Gottes Gemeinde, sein barmherziges und rettendes Handeln in ihr - dies buchstabierte er aus in jeder noch so brüchigen Situation. 2015 wurde das Pfarrhaus in Burg zur Anlaufstelle für viele Schutzsuchende. Kirchenasyle, seelsorgliche Begleitung, unterstützende Schreiben an die Ämter - deutschlandweit war bekannt, dass man bei Jürgen Unterstützung bekam. Dass er sich auch von ihnen helfen ließ als seine Krankheit ihn schwächte, hat manchen von ihnen erleben lassen, wie sehr sie hier zwar keinen Aufenthaltsstatus, aber eine Aufenthaltsberechtigung haben. Je weiter seine Krankheit fortschritt, desto stärker wurde sein Zweifel, ob er der reformierten Gemeinde in Burg noch ein guter Pfarrer ist. Je weniger er sich bewegen konnte, desto stärker wurde das Pfarrhaus zu einer Institution. „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“ Dieser Vers aus der Geschichte von Jakobs Kampf am Jabbok, den seine Angehörigen über die Traueranzeige gesetzt haben, ist wichtig gewesen. Sein Weg war für ihn auch ein Kampf mit Gott. Den Segen hat er uns überlassen mit seinem Bei-uns– und Für-uns-Sein. Jabbok oder Himmelfahrt? Hab Dank, Jürgen, und ruhe in Frieden. Gott lasse dich schauen, wie du geglaubt hast. Jutta Noetzel